26. Spieltag: VfB – SGD „Man träumt und spinnt ja manchmal ein bisschen.“

Dresden, Montag der 03.04.2017, 6:45 Uhr - Uwe Neuhaus erwacht. Neben seiner Frau Britta liegend öffnet er die Augen und fühlt sich geradewegs wie gerädert. Unsanft aus dem Schlaf gerissen von seinem betagten, aber stets zuverlässigen Doppelglockenwecker. Zögernd erhebt er sich und verharrt sitzend am Bettrand. Ein routinierter Griff zum Ruhestörer genügt, um diesen sogleich zum Schweigen zu bringen. Er schlägt die Hände ins Gesicht und wischt sich mit den Zeigefingern den Schlaf aus den Augen. Da schlägt die Erinnerung ein wie ein Blitz.

Die Erinnerung an das Spiel vom Vortag - an diese eklige Niederlage. Deutlicher hätte man in Cannstatt nicht verlieren können. Mit einem kompromisslosen 4:0 Heimsieg schickten die Württemberger die zusammengeschossenen Dynamos bedröppelt vom Platz. Es hatten nicht Wenige im Vorfeld dieses Spiels mehr von dieser Begegnung erwartet. Die Fans, die Medien, die Spieler, ja selbst der Trainer. Es waren mitunter muntere Kampfansagen. Hartmann, Lumpi, Neuhaus - sie alle hatten den Blick nach vorn richtend unverblümt verkündet dem eventuellen Aufstieg nicht abgeneigt zu sein und „nicht freiwillig nichts dagegen zu unternehmen“, vorausgesetzt man ließe die englische Woche erfolgreich hinter sich. „Man träumt und spinnt ja manchmal ein bisschen, guckt sich Konstellationen an, wer gegen wen spielt und wo es eng werden kann“ sagte Neuhaus im Vorhinein einer größeren Regionalzeitung, um seinen Mannen das neue Ziel vor Augen zu halten. Sie hatten sich alles so schön zurechtgelegt. Der Matchplan stand. Kristian Walter hatte in einer seiner obligatorischen Sitzungen haarklein auf die in den letzten Spielen sichtbaren Stuttgarter Schwächen hingewiesen. Dynamo trat wie gewohnt mit Schwäbe im Tor an. Hinten standen Heise, Ballas, Modica für den gelb-gesperrten J. Müller und Kreuzer. Davor der Kapitän, Hartmann. Stefaniak, Lumpi, Hauptmann und Berko im Mittelfeld und Kutschke vorne drin. Die zwei Letztgenannten verzweifelten im Laufe der 94 Minuten mehrmals an Tormann Langerak. Die Abwehr mit Baumgartl, Kaminski und Pavard stand solide und lies nur wenige Chancen zu. Im Mittelfeld agierten Insua, Zimmermann, Gentner und Zimmer sicher und aggressiv. Damit hatten die Dresdner am Wenigsten gerechnet. Terodde schoß seine Saisontore 16 und 17 und Mané war genauso gut aufgelegt wie sein auf der anderen Seite spielendes Pendant Ginczek. Bei einem Dresdner Sieg hätten alle weiter träumen können. Die Fans, die Medien, die Spieler, ja selbst der Trainer. Der Traum ist seither ausgeträumt. Der Verein zurück auf dem Boden der Tatsachen. Zurück in der hellgrauen Realität.

Neuhaus schraubt sich hoch und peilt das Badezimmer an. Beim Umkurven seiner auf dem honiggelben Hochflorteppich schlafenden Hunde verheddert er sich im Ladekabel seines Smartphones und verliert das Gleichgewicht. Er stürzt und schlägt mit der rechten Schläfe auf die Schlafzimmer-Kommode. Die Hunde bellen. Britta schreckt hoch. Der Wecker klingelt. Dresden, Sonntag der 02.04.2017, 6:45 Uhr - Uwe Neuhaus erwacht - schweißgebadet. Hellwach starrt er an die Decke und nimmt den grölenden Gesang einer Gruppe von Fans wahr, die sich vor seinem Haus versammeln: „Europapokaaaal, Europapokaaal, Europapokaaal, Eu-ro-pa-pokaaal!“.
Dieser Beitrag wurde zuletzt von Kermit_der_Frosch am 27.03.2017 um 19:22 Uhr bearbeitet