28. Spieltag: FC Hansa Rostock - FC St. Pauli

St. Pauli gegen Rostock.

Ein Duell das vieles ist und war:

Piraten-Romantik gegen alt ehrwürdige Handelsunion, "linksradikale Zecken" gegen "Nazi-Hools" , west gegen ost, aber letztlich auch Traditionsverein gegen Traditionsverein.

Ein Duell dessen Historie erstaunlich kurz dafür ist, wie viel Spektakel, Rivalität, böses Blut und bittersüße Tränen es durchlebt hat und das letztlich auch für eine Zeit scheinbar unbedeutend wurde.

Duelle gegen Hansa waren meine ganze Jugend lang im Endeffekt DIE Rivalität die jede andere in den Schatten stellte. Eine Rivalität in der ich den FCSP zu Beginn als den kleineren Außenseiter erlebt habe.
(Ein Bild das allerdings nicht lange anhalten sollte.)

Das erste direkte Duell mit Hansa das sich in mein Gedächtnis brannte, war das legendäre 3:2 im März 2009 Ein von Ausschreitungen überschattetes mehrfach unterbrochenes Kampfspiel das auf allen Ebenen eigentlich nur mit "Spektakel" umschrieben werden konnte und letztlich auch mit einem lauten Knall an eine Rivalität erinnert hat die man zu diesem Zeitpunkt getrost als Feindschaft bezeichnen konnte.

Letztlich blieb dieses 3:2 das wohl knappeste Spiel zwischen den beiden Vereinen in den letzten Jahren. Dennoch blieben diese Spiele nicht weniger hitzig.

Mit Nakis Geste Richtung Hansablock, Retovs Kopfstoß gegen Boll und Weilandts Angriff auf Morenas Nasenbein, war in allen Folgespielen so einiges an Kontroversen geboten. Umso erstaunlicher das darauf folgende und für fast 10 Jahre letze Duell der beiden in dem es ein 3:0 aber (ob deshalb oder trotzdem, wage ich nicht zu beantworten) tatsächlich keine einzige Karte gab.

Mit diesem 3:0 "endete" diese tiefe Rivalität nach für beide Vereine sehr turbulenten Jahren, scheinbar still und leise. der FCSP setzte seine Segel kontinuierlich in der zweiten Liga, während Rostock in Liga 3 umherdümpelte. Die sportliche Rivalität daher Geschichte. Die Fanlager auf Abstand während sich das zur Hitzigkeit beitragende politische Klima gerade im Rostocker Vereinsumfeld scheinbar stark milderte.

So vergingen Jahre in denen für den FC St. Pauli die stetige Abstiegsgefahr (und letztlich auch der zu erwartende Abstieg) des HSV das Stadtderby in den Vordergrund rückte und die Rivalität zu den Störchen aus Kiel immer relevanter wurde, während sich der Fokus ausgeprägter politischer Differenzen jenseits von Ligazugehörigkeit im immer tiefer in die Lausitz verschob.

St. Pauli gegen Hansa? Ein verschwommener Gedanke auf einen Bierdeckel gekritzelt und irgendwo im staubigen Regal nostalgischer Erinnerungen unter abgerissenen Einlasskarten und Fotoalben von "früher" gelandet.

So dachte ich zumindest. Bis ich letzten Sommer feststellte: "Oh! Die steigen tatsächlich auf!" Da kribbelte irgendwas. und als dann die Beiden Teams im Oktober letzten Jahres wieder im Millerntor einliefen war es wieder da.
Ein Gefühl eines alten Freundes den man noch nie ausstehen konnte der plötzlich wieder da ist und man nicht weiß ob man sich darüber freut ihn zu sehen oder ob man sich darüber freut ihm eine krachende (symbolisch! SPORTLICH!) Ohrfeige zu geben.

Hansa ist zurück in Liga 2 und die RIvalität sie lebt... Trotz Überangebot an Nordduellen und ungleicher Rollenverteilung und damit genug von der Romantik

Harte Zahlen und Fakten:

Die personelle Situation ist bei beiden Vereinen (stand Mittwoch Nachmittag) ein Stück weit unklar:

Avevor, Ohlsson und Wieckhoff werden dem FCSP definitiv fehlen.

Dittgen, wurde angekündigt, aber bisher konnte ich ihn nicht beim Training sehen.

Amenyido, Lawrence, Aremu und Ziereis haben am Mannschaftstraining teilgenommen und sollten wohl zumindest eine Option für den Kader sein.

Bei Hansa fehlen wohl Litka, Fröling, Omladic und Munzy mit Sicherheit. Scherff ist laut tm ab morgen wieder Einsatzbereit und Fröde und Neidhart haben wohl noch mit Rückständen ihrer jeweiligen Corona-Infektion zu kämpfen. Mit Neidhart wird jedoch im Hansa-Forum geplant.


Der Form nach zu urteilen sind aktuell beide Mansnchaften nicht all zu weit voneinander entfernt.
Hansa spielt in 2022 wie ausgewechselt und hat in diesem Kalenderjahr bereits 14 Zähler ergattert.

Der FCSP hat ledigilich einen Punkt mehr, ist jedoch nach anfänglichen Startschwierigkeiten wieder in die Spur gekommen.

Die Formtabelle der letzten letzten 6 Spiele zeichnet ein ähhnliches Bild. St. Pauli steht mit 13 Punkten aus diesen 6 Spielen auf Platz 2 Rostock mit 10 Punkten auf Platz 7

Beide haben in den vergangenen Spielen gezeigt, dass sie sich nicht von Niederlagen lumpen lassen und auf jede Niederlage mit einem Punktgewinn reagiert. Dabei haben beide Vereine gezeigt dass sie (aus sportlicher Sicht) nicht verlernt haben was Spektakel bedeutet aber auch bewiesen dass sie die knappen torarmen Spiele gegen direkte Konkurrenten gewinnen können.

Die Unterschiede beider Teams sind genauso klar: während das aktuelle Rückrundenbild der Rostocker einem sehenswerten Aufschwung gleicht ist es beim FCSP eher so, dass die jetzige Punkteausbeute mehr oder weniger nur ein Sprung zurück auf eine Art Durchschnittsleistung ist. Was natürlich einerseits darauf hindeutet dass die individuelle Klasse klar beim FCSP überwiegt und sich andererseits in der Tabellenkonstellation wiederspiegelt. Der FCSP kämpft um den Aufsteig und Hansa punktet für den Klassenerhalt.

Weiter unterscheiden sich beide Teams in ihrem bisherigen Nordduell-Trend. Während St. Pauli bisher eigentlich gegen alle norddeutschen Rivalen mindestens einen Punkt holen konnte bzw. auch in der Hinrunde ungeschlagen war, konnte Hansa bisher lediglich gegen Kiel punkten (dafür aber doppelt) und kam in allen weiteren Partien gewaltig unter die Räder (0:3, 0:4, 0:3, 1;2)
Auch gegen die alten Ostrivalen blieb die Kogge in der Hinrunde unter ihren Leistungen (1:2 gegen Aue 1:3 gegen Dynamo).

Dabei sollte der Trend, dass Hansa in Partien gegen Rivalen bzw. mit Derbycharakter aktuell eher stärker wird, während wir dabei zuletzt eher federn gelassen haben.

Ich denke die Partie am Samstag Abend wird so eng und (sportlich) umkämpft wie schon lange keine Partie zwischen den beiden Vereinen. Zumindest fällt es mir nicht nur aufgrund des Derbycharakters schwer den Boys in Brown eine klare Favouritenrolle zuzuschreiben.

Beide Teams liefern, beide Teams begeistern, beide Teams überzeugen und beide Teams brauchen die Punkte.

Wer letztlich die Nase vorn behält, bzw. den Gegner versenkt und damit selbst auf Kurs bleibt, ist da finde ich schwer zu sagen.
Dieser Beitrag wurde zuletzt von geestler am 31.03.2022 um 10:20 Uhr bearbeitet