Die Couchingzone

13.08.2010 - 13:19 Uhr
Die Couchingzone |#2201
19.11.2020 - 22:53 Uhr
HURRA, HURRA, die Schule brennt


Montag, 1. Stunde, Deutsch; Lyrik

fällt aus, wegen Lehrermangel. Hätte ich mir einen Reim drauf machen können.
Genau!

De Schommers, der is nimmi do,
manche trauern, annere sinn froh.
Dodefor huppst ä Luxeburjer an de Linie rum,
de guggt de änn orre anner dumm.

Oah werschtche, Du bischt noch net ganz dicht!

Bischt Du Dichter?

Allemool, bass uff:

Da steh ich nun, in meinem Tor,
und bin so klug wie die davor.

Der Trainer sind genug gewechselt,
lasst mich auch endlich Taten seh'n.
Die Spieler soll'n spiel'n wie ausgewechselt,
mit Punkten dann vom Platze geh'n.


Dienstag, 4. Stunde, Mathematik

Ein Kreis, alles rund, wie bei einem Uhrwerk, präzise, perfekt. Es läuft, vollumfänglich, es funktioniert und dann fehlt ein Stück, das Prunkstück. Quasi die Konstante subtrahiert, also abgezogen. Was fehlt? Wir können jetzt Pi raten. Oder ersetzen, also bei anderen Mannschaften seeräubern. Ersetzen, aber mit was? Mit einem Ritter? Hauen und stechen sollte er können, kann aber nur X zeichnen, mit seinem Schwert. X - nur eine weitere Unbekannte?
Pi ist irrational und ich kann 1 + 1 addieren, demnach bin ich zurechnungsfähig.

1 : 0 = 3
Geht diese Rechnung auf?
Niemals!
Doch! Wenn man nicht alles verkompliziert. Einmal 1 : 0 gewonnen sind 3 Punkte. Dieses Ergebnis kann vervielfacht und zur besseren Übersicht in ein Westkurvendiagramm eingefügt werden, beste Vorlage dafür ist Excel, um es dann per ppt einem großen Auditorium zu präsentieren.

Anderes Beispiel:
6 + 6 = 8 I
Das stimmt nicht, da kannst Du Dich auf den Kopf stellen!
Richtig!
Einfach mal auf den Kopf stellen, alles auf den Kopf stellen, dann ist die Rechnung I 8 = 9 + 9 und völlig korrekt. Einfach mal die Perspektive wechseln, fünfe mal gerade sein lassen.
Vielleicht sind wir in Mathe doch schlechter als wir denken?


Mittwoch, 2. Stunde, Chemie

Kurzfassung:
Die Chemie muss stimmen! Eine ausgeklügelte Zusammensetzung der einzelnen Komponenten, das richtiges Mischungsverhältnis. Einen Versuch starten, beobachten, analysieren, Veränderungen herbeiführen. Explosive Experimente, wie D + B + B bei T + M zu integrieren, können aber zu ungewollten Reaktionen führen.


Donnerstag, 5. Stunde, Geschichte

31. Oktober 1920, also vor 100 Jahren, war die Geburtsstunde eines Menschen, der selbst Geschichte schrieb.
Ein Idol, eine Lichtgestalt seiner Zeit; geschätzt und bekannt in der ganzen Fußballwelt, dennoch bodenständig und heimatverbunden. Ein junges, charismatisches Ausnahmetalent, Jahrhunderttorschütze,
Deutscher Meister, Nationalspieler, Weltmeister, Namensgeber einer Mannschaft und eines Stadions, zu dem alle aufschauten.

Doch im Jahr 1951 überraschte eine spanische Wechseloffensive die Pfalz, die Dank einer Allianz mit Italia aber glücklicherweise erfolgreich abgewehrt werden konnte.

Geschichte schreibt man, Geschichte wurde geschrieben, kleine Wunder, große Sensationen und er, der Fritz, würde uns sagen: Alles wird gut! Wenn du den Regenbogen sehen willst, musst Du den Regen aushalten. Fritz-Walter-Wetter.

Danke Fritz, ich bin stolz darauf, ein Fan DEINES Vereins zu sein und daran wird sich nichts ändern, auch nicht in den nächsten hundert Jahren.



Freitag, 3. Stunde, Sozialkunde

Soziale Komponenten darf man nicht außer Acht lassen. Ein gutes Gefüge, Teamwork ist wichtig, aber nur ein Aspekt. Denn manchmal täuscht man sich. Gewaltig!
Ein Beispiel:
Auf einem Bauernhof leben eine Maus, eine Katze und eine Kuh.
Katze sieht Maus, Maus sieht Katze.
Katze will Maus fressen, Maus flüchtet in den Stall.
Maus bleibt am Hinterteil einer Kuh stehen, sucht Fluchtmöglichkeit oder Versteck.
Kuh sieht Katze, die die Maus verfolgt und lässt einen Fladen auf die Maus fallen, sodass nur noch das Schwän.zchen oben herausschaut.
Katze sieht Schwän.zchen der Maus, zieht Maus hoch und frisst Maus.

Welche Erkenntnis ziehen wir nun?
1. Nicht jeder, der dich ankac.kt ist dein Feind!
2. Nicht jeder, der dich aus der Scheis.se rausholt ist dein Freund und
3. Wenn Du schon bis zum Hals in Scheis.se steckst, immer den Schwan.z einziehen!


Samstag, 14.00 Uhr, 2 Stunden Sport

Ja, liebe Generation Smartphone, das gab's früher wirklich. Schule am Samstag. Genauso wie Wählscheibentelefon und Telefonzellen. Dorthin schickte man früher den Unparteiischen mit den Worten: „Schiriiiii, Telefon“. Das aber wäre jetzt Geschichte, hatten wir schon, vorgestern.

Sport soll Spaß machen. Aufwärmen, Jacke aus und los geht’s. Das Spiel läuft rund und der Ball hat Luft für 90 Minuten. Na, wenigstens der. Viele sind mit dem Kopf nicht bei der Sache, andere kämpfen, zumindest um Worte. Ausgesprochen gut, oder doch falsch verstanden? Vielleicht sollten wir Horst Eckel holen, der ist Sportlehrer. Ein Lehrer tut was lehren, ein Trainer tut trainieren. Ist es das was wir brauchen?


Klingeling. Klingeling. Klingelingeling. Was ist das? Unterrichtsende?
Nein! Feueralaaarm!
Hurra, Hurra, die Schule brennt!
Nein, doch nicht. Nur der Baum brennt, aufem Betze, wie immer um diese Zeit!

•     •     •

„Das Größte, was man erreichen kann, ist nicht, nie zu straucheln, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.“ (Nelson Mandela)
„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“ (Oscar Wilde)
„Ein Spiel zu gewinnen ist leichter, wenn man gut spielt, als wenn man schlecht spielt.“ (Johan Cruyff)
„Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen, mit Geld, das wir nicht haben.“ (Richard David Precht)
Die Couchingzone |#2202
17.12.2020 - 08:58 Uhr
FCK Episode Vier - Eine neue Hoffnung

von Vic Dorn

Männer, ich glaube, ich habe heute Nacht im Traum den Grund dafür gefunden, warum es uns so schlecht geht - und nicht nur das. Der Traum hat mir auch die Perspektive aufgezeigt, wie künftig alles besser wird:

Unsere deutsche Profifußballwelt ist voll von kleinen und gut geführten Vereinen, die auf eine Weise wachsen und gedeihen, dass es eine wahre Freude ist. Ich meine Klubs wie Union Berlin, SV Sandhausen, SC Paderborn, 1. FC Heidenheim, Holstein Kiel... - Vereine, die vom Umfeld her immer noch so klein sind, dass u. a. sogar die Stadiongröße an der Untergrenze des Erlaubten im Profifußball balanciert.

Wir hingegen sind ein großer Traditionsverein, der im Gegensatz zu Vereinen wie Gladbach, Frankfurt und Co. den Weg in die Moderne des 21. Jahrhunderts nicht geschafft hat. Einer von denen, die nur noch abwärts gerichtet sind. Da werden wir nicht der Letzte sein. Vereine wie Nürnberg (längst von Fürth überholt) oder Hannover werden uns sicher schon bald folgen.

Wir mit unserer Größe, unserem Umfeld und unseren Erfolgen und unserer Tradition - das ist das Problem. Eine Galionsfigur wie Fritz Walter, dieser feine und vorbildliche Sportsmann, kann einem mittlerweile fast schon leid tun - er und seine Werte werden ja mittlerweile meistens nur noch dann genannt oder zitiert, wenn bei uns die Kacke wieder mal ganz furchtbar übel dampft. Auf diese Weise wird selbst das größte Idol unseres Vereins momentan nur noch mit allem Negativen und Furchtbaren der letzten Wochen in Verbindung gebracht.

"Fritz Walter würde sich im Grab umdrehen..."

Nee, Leute, den Konjunktiv kann man getrost weglassen. Der würde nicht. Er tut es schon. Fritz rotierte vermutlich als damals noch lebendes Idol schon in einer Dauerschleife, als damals unter dem Applaus des Umfelds der Meistertrainer Rehhagel vom Berg gejagt worden ist. Damals glaubte man, ein Duo aus zwei Nicht-Führungspersönlichkeiten könnte ein Upgrade zu einem Sensations-Meistermacher darstellen. Gemeint sind natürlich Brehmi und Stumpfi - um mal die heutzutage Usus gewordene Art der Namensnennung hier zu praktizieren. Schon damals, liebe Freunde, schon damals war der Schritt vom Professionalismus zum Dilettantischen eindrucksvoll vollzogen worden. Es folgte eine Trainer-Geisterbahn mit Akteuren wie Henke, Rekdal oder Frontzeck - um nur mal ein paar besonders illustre Beispiele aus dem Grusel-Kabinett zu nennen.

Fritz Walter, dem dieser Klub so sehr am Herzen lag, hat mit dem Rotieren ganz sicher nicht mehr aufgehört.

Die Zukunft?

Wie entsteht aus einem solchen Desaster eine Zukunft?

Die Antwort ist ganz einfach: Gar nicht. Wie ich eingangs schon schrieb: Dieser große alte Verein ist Vergangenheit. Wir müssen einen neuen gründen. Einen kleinen Verein. Ein neues Sandhausen, ein neues Heidenheim - so was in der Art. Etwas, was frisch und sympathisch ist. So wie vor 30 bis 40 Jahren, als ein damals noch kleiner und unbekannter Verein wie der SC Freiburg plötzlich wuchs und gedieh und zugleich einen großen traditionsreichen Lokalrivalen wie den Freiburger FC (immerhin mal ruhmreicher Deutscher Meister!) in die tiefsten Tiefen der Vergessenheit verbannte.

Also lasst uns diesen neuen Klub doch endlich gründen. Als erstes brauchen wir einen Namen. Wie wäre es mit:
- SV Siegelbach
- 1. FC Hohenecken
- Holzbein Kalkofen
- Greuther Eselsfürth
- Türkgücü Mölschbach

Irgendsowas in der Art. Dann brauchen wir einen Vorstand. Das machen natürlich unsere beiden Admins deuluxteufel und BenMic.
Deulux für Sport, BenMic für Finanzen. Oder umgekehrt. Egal. Besser als die aktuellen und verflossenen Leiter unseres fast verflossenen FCK machen sie's auf jeden Fall. Denn wir sind ein neuer, frischer Klub und kein verkorkster alter.

Natürlich brauchen wir auch einen Aufsichtsrat. Sonst könnten die beiden Admins... pardon... Vorstände ja machen, was sie wollen, ohne, dass ihnen einer auf die Finger schaut. Vielleicht nennen sie uns dann aus lauter Profitgier in RasenStolpersport Lautern o. ä. um. Das muss unterbunden werden. Die Fachkompetenz im Aufsichtsrat könnte sich zusammensetzen aus Berti (der Macher, der auf seine Chance wartet), Newtrial (der Chefanalytiker vom Dienst), bahli77 (der Integrierende, der ausgleichend einwirkt), CoPrins (das Äquivalent zu Pourié im Aufsichtsrat) und laudere (meldet sich nicht oft zu Wort, aber wenn, dann hat es Hand und Fuß), plus X plus X - weil mir mindestens zwei megakompetente Kandidaten hier aus dem Forum jetzt gerade auf die Schnelle nicht in den Kopf gekommen sind. Sportdirektor wird Betzemaster. Als Pressesprecher engagieren wir Kohlmeyer. Und ich bewerb' mich als Vereinsmaskottchen.

Männer, worauf warten wir? Der Weg in die Zukunft liegt klar vor uns. Wir müssen ihn nur gehen.

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"And what can I tell you, my brother, my killer?
What can I possibly say?
I guess that I'll miss you. I guess, I'll forgive you.
I'm glad you stood in my way.
If you ever come by here for Jane or for me -
Well, your enemy's sleeping. And his woman is free.
Yes, and thanks for the trouble you took from her eyes.
I thought it was there for good - so I never tried."
(Leonard Cohen)

Dieser Beitrag wurde zuletzt von Vic Dorn am 17.12.2020 um 09:11 Uhr bearbeitet
Die Couchingzone |#2203
17.12.2020 - 09:16 Uhr
Ich hätte gern Hassabamba als Vorsitzenden für den Ehrenrat. Dann ist da nämlich Ruhe.

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Bertikoks - Transfermarkt since 2003. Originalmitgliedsnummer 1686. Keine anonyme Kritik: FCK MGLD 2151
Die Couchingzone |#2204
17.12.2020 - 09:42 Uhr
Zitat von Bertikoks
Ich hätte gern Hassabamba als Vorsitzenden für den Ehrenrat. Dann ist da nämlich Ruhe.


ein Couching in welchem Lullaby nicht irgendeine tragende sportliche Rolle einnimmt, kann ich nicht ernst nehmen.

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Ich habe so viele Beiträge bei tm.de, ich könnte dein Leben kaufen.
Die Couchingzone |#2205
17.12.2020 - 13:22 Uhr
Zitat von Mittelschichtler

ein Couching in welchem Lullaby nicht irgendeine tragende sportliche Rolle einnimmt, kann ich nicht ernst nehmen.


Solche Antworten sind einer der Gründe, warum die regelmäßigen Couchings irgendwann eingeschlafen sind.

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"And what can I tell you, my brother, my killer?
What can I possibly say?
I guess that I'll miss you. I guess, I'll forgive you.
I'm glad you stood in my way.
If you ever come by here for Jane or for me -
Well, your enemy's sleeping. And his woman is free.
Yes, and thanks for the trouble you took from her eyes.
I thought it was there for good - so I never tried."
(Leonard Cohen)

Dieser Beitrag wurde zuletzt von Vic Dorn am 17.12.2020 um 13:26 Uhr bearbeitet
Die Couchingzone |#2206
17.12.2020 - 13:27 Uhr
Zitat von Vic Dorn
Zitat von Mittelschichtler

ein Couching in welchem Lullaby nicht irgendeine tragende sportliche Rolle einnimmt, kann ich nicht ernst nehmen.


Solche Antworten sind einer der Hauptgründe, warum die regelmäßigen Couchings irgendwann eingeschlafen sind.


tut mir leid. Das ist natürlich ein herausragendes Couching, ein Meisterwerk. Man sollte es ausdrucken, irgendwo aufhängen und Eintritt dafür verlangen um es sich anschauen zu dürfen.

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Ich habe so viele Beiträge bei tm.de, ich könnte dein Leben kaufen.
Die Couchingzone |#2207
18.12.2020 - 11:55 Uhr
MENTALITÄT – Ein Versuch

WARNUNG: Alle Einzeiler-Könige sofort raus hier! Dieses nun folgende Geschwafel hält eure Gesundheit nicht aus. Also schnell weg!


1. Konzeptionelle Annäherungen

Schaut man sich den offenbar unaufhaltsamen Niedergang des FCK an, dann werden zwei Klassen von Ursachen sichtbar: Erstens eine unendliche Reihe von personellen Fehlbesetzungen und falschen strategischen Entscheidungen. Und Zweitens etwas, das gerne als „Mentalitätsverlust“ beschrieben wird. Diesem letzteren Punkt möchte ich mir hier etwas näher anschauen.

Googelt man den Begriff „Mentalität“, so fällt als erstes die Dürftigkeit der Definitionsversuche ins Auge. Wikipedia-Einträge dieser Qualität werden normalerweise schnell aufgrund unzureichender Quellenauswertung und analytischer Tiefe gelöscht. Wenn das bei diesem Eintrag nicht der Fall ist, dann liegt es daran, dass der Begriff eigentlich ganz einfach nichts hergibt. Und deshalb in den Sozialwissenschaften auch kaum Verwendung findet.

Soziologisch gilt Mentalität seit Theodor Geiger als „subjektive Ideologie“, die sich aus gruppen- und klassenspezifischen Lebenslagen und Normen speist und von daher zur Stereotypie neigt. Der Mann hat das 1932 geschrieben, was schon das Problem deutlich macht: Vielleicht lag oder liegt die Stereotypie hier eher im Auge des Betrachters als in den Menschen selbst begründet. Eigentlich steht alles, was bis damals unter der Rubrik „Mentalität“ „wissenschaftlich“ verhandelt wurde, unter starkem Ideologieverdacht. Zum Beispiel in der physischen Geographie, die vormals teilweise „Mentalitäten“ von Berg- und maritimen „Völkern“ unterscheiden wollte, also unmittelbar raumprägende Effekte auf Normen des menschlichen Zusammenlebens und subjektive Überzeugungen annahm. Der Nationalsozialismus sog diese „Wissenschaft“ wie ein trockener Schwamm auf. Das Fach selbst erfand sich in der Folge als „Humangeographie“ neu und befreite sich von dieser Erblast.

In der Soziologie spielt der Begriff auch keine Rolle. Pierre Bourdieu spricht vom „Habitus“ als sozialmilieugeprägten – scheinbar individuellen – Dispositionen und öffnete dieses Feld für eine reiche empirische Forschung. Dabei wird deutlich, dass die Stereotypie eben doch nicht nur im Auge des Betrachters liegt, sondern dass lebensstilprägende Gruppennormen ganz stark von dem kollektiven und individuellen Zugang zu Ressourcen im weitesten Sinne (kulturelles, ökonomisches, soziales Kapital) abhängen. Diese „sozialen Positionsgüter“ (z.B. Bildungsabschlüsse, soziales „Vitamin B“ und natürlich auch Geldeinkommen) sind per Definition gesellschaftlich knapp und definieren ein Nullsummenspiel und einen Verdrängungswettbewerb: Wenn ich sie habe, kannst Du sie nicht haben! Dies führt zur sozialen Entmischung entsprechender Milieus, d. h. die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen aus unterschiedlichen Sozialmilieus sozial folgenreich miteinander austauschen (z. B. Freunde oder Arbeitskollegen werden oder gar eine Familie miteinander gründen) ist sehr gering; auch wohnt man wahrscheinlich in unterschiedlichen Wohnquartieren („residentielle Segregation“). Innerhalb der einzelnen Milieus bildet sich ein „Notwendigkeitsgeschmack“ (Bourdieu) aus, d.h. man glaubt jeweils ganz individuell zu entscheiden, agiert aber der Gruppennorm entsprechend. Die empirischen Ergebnisse dazu sind frappierend, etwa was die Häufung von Vornamen für die Kinder, Vorlieben für Filme oder auch Hobbys angeht. Man bildet entsprechende Gewohnheiten aus und nimmt die „feinen Unterschiede“ (Bourdieu) wahr, die entscheiden, ob jemand „zu uns“ gehört oder nicht. Das treibt dann die soziale Entmischung weiter voran.

Die Psychologie unterscheidet in Sachen „Mentalität“ zwischen einer subjektiv fixen Sichtweise auf das eigene Potenzial und einer Wachstumsperspektive:

„Kurz gesagt, diejenigen mit einer „fixen Denkweise“ glauben, dass Fähigkeiten meist angeboren sind und interpretieren Versagen als das Fehlen notwendiger Grundfähigkeiten, während diejenigen mit einer „Wachstumshaltung“ glauben, dass sie jede beliebige Fähigkeit erwerben können, sofern sie sich bemühen oder studieren.“

Natürlich sind auch diese Dispositionen ungleich auf die verschiedenen Sozialmilieus verteilt – so spricht man gerne vom „Urvertrauen“ der Mittelschichtsangehörigen in ihre Fähigkeiten, während das im Aussterben befindliche klassische Arbeitermilieu sehr stark von fixen Dispositionen geprägt wurde: Man machte quasi aus der Not eine Tugend und zog seine gruppennormgeprägte Identität daraus, den eh kaum möglichen sozialen Aufstieg ja auch gar nicht zu wollen. Die massive Bildungsexpansion der 1970er-Jahre machte diesem Habitus nachhaltig den Garaus. Aber natürlich findet sich auch heute noch diese „Verlierermentalität“, es halt selbst nicht besser zu können. Und es auch gar nicht anders haben zu wollen.


2. Was bringt der Begriff „Mentalität“ mit Blick auf den FCK?

Es ist deutlich geworden, dass individuelle „Mentalitäten“ (besser: habituellen Prägungen) stark von sozialen Gruppennormen – und diese wiederum vom Zugang zu knappen sozialen Positionsgütern – abhängen. Man kann also diskutieren, inwiefern die hohen Gehälter im Profi-Fußball zu Lebensstilen führen, die eine Kämpfer- und Leistungsmentalität untergraben und besagte „Schwiegersöhne“ und „Söldner“ hervorbringen. Besonders triftig ist dieses Argument allerdings nicht, da das Leistungsdenken nirgendwo so ausgeprägt ist wie zum Beispiel im noch besser verdienenden Top-Management. Die mögen zwar durch die Qualität ihres Handelns locker und lässig die Zukunft der Menschheit verspielen – aber faul und unmotiviert sind sie dabei gewiss nicht.

Ein präzisierendes Argument lautet, dass der FCK Spieler mit einer „fixen“ individuellen Kontrollüberzeugung verpflichtet, die genau wissen, dass sie einen besseren Vertrag nie mehr kriegen werden und nach einem Aufstieg aussortiert würden. Wer so disponiert, ist für extrinsische Motivation durchaus zugänglich – stärker leistungsbezogene Gehälter könnten hier also eine gewisse Wirkung entfalten. Allerdings hat @Lullaby schon zurecht häufiger betont, dass extrinsische Motivation stark überschätzt wird: Wenn Du auf dem Platz stehst, denkst Du nicht an Dein Bankkonto – weder in die eine, noch in die andere Richtung. Auch Menschen, die sich „fix“ am Limit ihrer beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten angekommen sehen, möchten i.d.R. gute Arbeit abliefern und sich beweisen.

Es ist daher nicht so weit her mit dem analytische Zugang über das Mentalitätsmotiv. Ist ja auch nicht so, dass wir hier von einem allgemeinen Problem des Profi-Fußballs sprechen würden. Es ist der FCK, dessen Gruppennormen und individuellen Dispositionen zu wünschen übrig lassen. Wir sind in dieser Hinsicht kein „Spiegelbild der Gesellschaft“, sondern haben unseren ganz speziellen Bockmist aufgetürmt.


3. Mentalität und Organisationskultur

Will man die ganze Mentalitätssoße auf den FCK herunterbrechen, stellt sich als erstes die Frage, wie man es verhindert, Spieler mit „fixer“ Mentalität zu akquirieren bzw. wachstumsorientierten Spielern so den Schneid abzukaufen, dass sie ebenfalls mit der Zeit eine „fixe“ Haltung einnehmen. Die psychologische Unterscheidung dieser beiden Mentalitätspole hat übrigens nichts mit dem Alter der Spieler oder mit ihren von außen sichtbaren Limitierungen zu tun: Ein am Ende seiner Karriere stehender Mölders hat uns zuletzt deutlich aufgezeigt, wieviel Spaß, Effektivität und Leistungsbereitschaft man auch in betagtem Fußballalter und jenseits des Idealgewichts auf den Platz bringen kann. Umgekehrt war ein Marlon Ritter nie ein Modellathlet – und hat trotzdem schon sehr viel bessere Leistungen gezeigt als bei uns. Es geht daher nicht darum, nur junge, „hungrige“ Spieler aufzubieten.

Im Endeffekt geht es bei uns nämlich überhaupt nicht um grundlegende Persönlichkeitseigenschaften und Kontrollüberzeugungen! Und damit auch nicht um „Mentalitäten“. Egal welche (sozial geprägten) Persönlichkeitsdispositionen jemand mitbringt – bei uns wird er sich schnell der Gruppennorm eines geringen Leistungsstandes und einer ängstlich-verunsicherten Perspektive auf Spiel und Gegner anpassen. Es geht daher hier um Sozialpsychologie, nicht um tiefergehende „Mentalitäten“. Wir haben eine leistungshemmende Organisationskultur etabliert, die mangelnde Leistung durch die „Umstände“ zu entschuldigen bereit ist, anstatt als „kleines gallisches Dorf“ mutig gegen den Strom zu schwimmen! Und so Leid es mir tut: Es war Stefan Kuntz, der mit seinem ständigen Gequatsche vom „Standortnachteil“ und der „überzogenen Erwartungshaltung“ diesen Virus in die FCK-DNA eingepflanzt hat. Seither geht es mit uns bergab.

Wie kommt man da wieder raus? Boris Schommers wollte der Mannschaft das Vertrauen in ihre Wachstumsfähigkeit zurückgeben und sie an einen technisch höherklassigen Fußball gewöhnen. Kosta Runjaic hatte dasselbe versucht. Beide sind gescheitert bzw. mussten gehen, bevor ihre Spielidee umgesetzt war. Das „Umfeld“ verlangte nämlich eine „fixe“ Mentalität: „Ihr seid nicht gut genug für Ballbesitz-Fußball. Ihr müsst die Liga annehmen!“. Die Ergebnisse und spielerischen Leistungen schienen dem „Umfeld“ dabei rechtzugeben und es wurde nach den Demissionen dieser Trainer jeweils eine „pragmatische“ Wende vollzogen. Im Subtext hieß das für die Spieler: „Ihr seid nicht so geil, wie ihr denkt, besinnt euch mal auf die Basics und ruft eure fixen Kompetenzen ab.“

Was aber passiert mit der Motivation von Menschen, die den Himmel erstürmen wollten und denen nun vermittelt wird, dass ihre Fähigkeiten nur zum niederen Büro-Job reichen? Sie werden gebrochen! Werden von Selbstzweifeln und Versagensängsten befallen! Verlieren ihr Selbstvertrauen.

Und daher: Diese Jungs sind nicht alle von derselben fixen „Mentalität“ geprägt. Ihnen haben Trainerwechsel, Traineransprachen und Spielverläufe die Überzeugung vermittelt, dass sie es nicht besser können. Und das „Betze-Gen“ halt nicht hätten.

***Und – oh Wunder – jetzt können sie es auch nicht mehr besser.***

Wer „die Liga annimmt“, ist dann halt auch nichts mehr Besonderes. Steht für nichts Einzigartiges. Muss und soll keine Spielkultur entwickeln, sondern auf die zweiten Bälle gehen, Standards vernünftig gestalten und durchschnittlich gut im Torabschluss und im Verteidigen werden. Und der Kern dieser Ansprache an die Mannschaft ist dann in der Tat: „Steigt irgendwie auf und macht euch dann bloß vom Acker. Denn für Liga 2 seid ihr eh zu schlecht.“

Was ein Ende dieser Ansprache positiv bewirken kann, darf man aktuell an Kühlwetter ablesen.

Mit „Mentalität“ hat dies alles eher wenig zu tun. Sehr viel aber mit einer Vereinsansprache, die den Spielern das Vertrauen nimmt, Teil eines größeren Mannschaftsganzen zu sein – einer erreichbaren Vision, einer für sie umsetzbaren Spielphilosophie, die das Ganze und jeden Einzelnen wachsen lässt.

Runjaic und Schommers (vermutlich auch Korkut) waren Trainer, die dieses Ziel – jeder auf seine Weise – verfolgten, aber letztendlich nicht umsetzen konnten. Alle anderen waren „Pragmatiker“ ohne Vision, die der Mannschaft im Subtext vermittelten, dass sie zu schlecht für die höheren fußballerischen Weihen ist und es von daher doch lieber mit langen und zweiten Bällen versuchen sollte.

Saibene schien mir die Lösung zu sein. In seinen Partien – bis zum aktuellen mannschaftlichen Kollaps – wurde strukturiert und vertikal von hinten heraus gespielt und auch versucht, von diesem Aufbauspiel aus sich ins letzte gegnerische Spieldrittel zu kombinieren. Da war sie plötzlich, die scheinbar umsetzbare und dennoch visionäre Spielidee! Warum dann der Zusammenbruch? War es die Abschlussschwäche, die uns nicht in einen Lauf kommen ließ? Das Verletzungspech? Außersportliche Einflüsse, etwa im Rahmen des Planinsolvenzverfahrens?

Und jetzt? Neuer Trainer, neue Spielidee? Das hat doch keinen Notzen! Einfach „Weiter so!“? Das geht auch nicht. Umbau der sportfachlichen Strukturen mit neuem Führungspersonal? Das bringt uns kurzfristig nicht weiter und rettet uns daher nicht vor dem Abstieg.

Vielleicht ist es wie mit dem Klimawandel. Der point of no return, der berühmte „Kipp-Punkt“ ist längst überschritten. Und wir schon längst im Epilog, im Schwanengesang befindlich. Tote, die noch nicht wissen, dass sie es sind.

Oder geht da etwa noch etwas? Wehren wir uns noch ein weiteres Mal mit Erfolg? Schlagen wir ein neues Kapitel der Vereinsgeschichte auf?

Was meint ihr?
Die Couchingzone |#2208
18.12.2020 - 16:37 Uhr
Zitat von Newtrial
Oder geht da etwa noch etwas? Wehren wir uns noch ein weiteres Mal mit Erfolg? Schlagen wir ein neues Kapitel der Vereinsgeschichte auf?

Was meint ihr?

Nö, wir sind längst gestorben und haben es nicht gemerkt.

So brillant ich deine Ausführungen finde, sehe ich nirgendwo den Willen, sich gegen diese gesammelten Widrigkeiten aufzubäumen. Wir sind an einem "Point of no Return" angekommen. Ich befürchte, dass wir endlich am f.ucking Ende dieser bekackten Fahnenstange angekommen sind.

Die Mannschaft wirkt trotz vorhandener Qualität unendlich blutleer. Und noch schlimmer, sie spielen als hätten sie Kilogewichte an den Schuhen. Der Druck muss unmenschlich sein. Der Trainer hat das diese Woche begriffen und wirkt seitdem komplett desillusioniert. Der Sportdirektor hat das sicherlich auch erkannt, redet aber trotzdem als befände er sich in einem Paralleluniversum. Wer die Nervosität von SOV in Unterhaching auf der Tribüne gesehen hat, hat die Stimmung in der Geschäftsführung in deutlichster Ausprägung vernommen - Panik. Die Investoren sehen gerade ihre Millionen im Treibsand der Vergangenheit versickern. Und der Aufsichtsrat - blickt auf und sieht auch keinen Rat.

Es wäre schön, wenn dies wirklich nur eine Momentaufnahme ist und meine Angst vielleicht doch mehr unbegründet als real ist. Nur gibt es nichts, was auf eine verzerrte Wahrnehmung meinerseits schließen lässt.

He's just a stereotype
He drinks his age in pints
He has girls every night
But he doesn't really exist

•     •     •

You want it darker
We kill the flame

Leonard Cohen (1934-2016)
Die Couchingzone |#2209
12.01.2021 - 11:46 Uhr
Hört sich nach selbsterfüllender Prophezeihung an, genauso wie die stets herausragende Qualität der Couchings. Danke auch 2021 für eure tolle Texte.

Zitat von usernick

Was meint ihr?


Die Hoffnung stirbt zuletzt... Als grundoptimistischer Mensch kann ich mir nur vorstellen, dass es irgendwie weitergeht. Die Frage ist, wie das "irgendwie" aussehen wird. Ich drücke jedenfalls aus der Ferne alle Daumen, dass es sich um eine selbstzerstörende Prophezeihung handelt und alles doch noch gut wird. Nur die Couchings, die sollen so bleiben Lächelnd

•     •     •

I didn't mean to say it, but I meant what I said.

Dieser Beitrag wurde zuletzt von Lichtenkiesel am 12.01.2021 um 11:47 Uhr bearbeitet
Die Couchingzone |#2210
18.01.2021 - 10:45 Uhr
Zitat von Newtrial
Was meint ihr?

Desperado hat es nicht geschafft.

•     •     •

Das Leben ist die Schule, der Schmerz ist der Lehrer.

Dieser Beitrag wurde zuletzt von Devil_till_Death am 18.01.2021 um 10:46 Uhr bearbeitet
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