Bewertung der Entwicklung des FCK

Wenn ich dich richtig verstehe, ist dein Punkt, dass Antwerpen aus einem von Hengen und ihm zusammengestellten Kader trotz einiger „Unwuchten“ unterm Strich mehr herausgeholt hat als erwartbar gewesen wäre.
Sollten wir noch eine Saison in dieser Liga spielen, ist es auch wichtig, sich diese Qualitätsfrage (die mE bei uns eher eine Ausgewogenheitsfrage ist) ernsthaft zu stellen. Das gehört zur Saisonanalyse selbstverständlich auch dazu.

Vergleicht man den Kader mit denen der Konkurrenz im oberen Drittel, so komme ich zu dem Schluss, dass wir ungefähr dort stehen, wo die Mannschaft von ihrem Leistungspotential her hingehört. Wobei ich keine großen qualitativen Unterschiede zwischen BS und uns erkennen kann - die haben vielleicht den “stimmigeren“ Kader was die Vielfalt an Spielertypen angeht.

Aber Antwerpen musste ja gerade nicht gehen, weil er zu wenig aus der Mannschaft herausgeholt hat. Eine - diese - Trainerentlassung ist ja keine „persönliche Strafe“ für eine unterm Strich gute Saison. Möglicherweise führt genau diese Denkweise zu dem Ärger einiger über die Freistellung.
Es ging und geht nur darum, diese vielleicht einmalige Chance - die natürlich Antwerpen mit der Mannschaft erarbeitet hat - auch seriös zu nutzen.
Und wenn der GF Sport in dieser Saisonphase für sich erkennt, dass die Mannschaft das, was sie sieben Monate lang auf den Platz bekommen bzw an Ergebnissen erzielt hat, plötzlich nicht mehr hinbekommt, muss er natürlich reagieren.

Wieso man das in unserer Situation nicht einfach getreu dem Motto „Hmm, ärgerlich, versuch mal die Relegation, Marco, wenn’s nicht klappt, versuchen wir’s halt noch einmal“ laufen lassen kann, sollte klar sein.

Der Kader hat meines Erachtens zwei Unwuchten. Zum einen fehlt ein Ersatz für Zuck, der bei Ausfall durch eine rechtsfüßige Notlösung ersetzt werden muss, zum anderen fehlen Qualitäten im 1 gegen 1. Außer Sessa haben wir da niemanden. Kleinsorge hätte diese Qualitäten einbringen können, wurde aber im Winter abgegeben und hat auch in Essen nicht brilliert.

Qualitativ haben wir dafür auf nahezu allen Positionen, ich würde da lediglich die zweite Stürmerposition neben Boyd ausnehmen, deutlich überdurchschnittliches Personal, das vielfach absolute Ligaspitze darstellt. Tor, Innenverteidigung und Mittelfeldzentrum bilden einen enorm starken Block, der in Kombination mit dem starken Anlaufverhalten der Stürmer zu der größtenteils herausragenden Defensivleistung des Teams geführt hat. Hercher und Boyd zählen auf ihren Positionen ebenfalls zur Spitze und Zuck liegt zumindest klar über dem Schnitt. Für das praktizierte System ist das Personal zudem gut zusammengestellt und man konnte den Zimmer-Ausfall problemlos verkraften und in Notsituationen von der Bank aus qualitativ gut nachlegen. Insofern halte ich den Anspruch, mit dem vorhandenen Kader um den Aufstieg mitzuspielen, nicht für überhöht. Antwerpen hat da in keinster Weise Wunderdinge vollbracht.

Was man Antwerpen aber ganz klar zu Gute halten muss, sind die Leistungskurven von Raab und Ritter. Die beiden sind absolute Stützen des Teams, was aufgrund der vergangenen Leistungen so nicht zu erwarten war. Gegen Antwerpen spricht, dass das Team trotz für die Liga herausragender technischer Qualität im Kader kein brauchbares Aufbauspiel entwickelt hat. Das Erfolgsrezept lag in einer starken Defensive, gutem Umschaltspiel und Standards. Dieser Aspekt war in der Hinrunde tatsächlich noch besser ausgeprägt, weil der Zielstürmer für die langen Bälle nochnicht da war. Dass Antwerpen genau so einen wollte, deutet aber darauf hin, dass seine Vorstellungen dementsprechend sind. Auch aus seinen vorangegangenen Stationen ist nicht bekannt, dass er seinen Teams ein gutes Angriffspressing und Positionsspiel vermittelt hat. Das zählt wohl einfach nicht zu seinem Repertoire.

Beste Grüße
Lullaby

Das hat auch so niemand behauptet
Und deine saloppe Formulierung passt bestens zu dem Bild das Hengen die ganze Saison über abgab.

Wörtlich sicherlich nicht. Einen Trainer aus Dankbarkeit in diese entscheidenden Spiele schicken zu wollen - und ja, diese Position ist hier durchaus vertreten (gewesen) -, kommt dieser saloppen Formulierung inhaltlich aber sehr nahe.

Im Übrigen nehme ich Hengens Auftreten, das sicherlich an einigen Punkten kritikwürdig ist, nicht als salopp wahr.

Hengens Aussagen gingen in die Richtung, dass ein klarer Abwärtstrend jenseits von Ergebnissen erkenn- und auch statistisch belegbar war, dieser sich aber erst zum Saisonende in schlechten Resultaten niedergeschlagen hat. Wenn der Trend länger anhielt, war er ganz sicher auch Antwerpen bekannt, der aber offenkundig keine geeigneten Antworten darauf gefunden hat, denn sonst hätte man nicht zwei der schwächsten Saisonleistungen während an den letzten beiden Spieltagen hingelegt.

Alle anderen Dinge, mögliche Probleme mit Teilen der Mannschaft, die Außendarstellung, persönliche Differenzen zwischen Antwerpen und Hengen, dürften bei der Entscheidung dagegen nur nachgelagerte Bedeutung haben. Der Aspekt der sportlichen Entwicklung reicht völlig aus, um die Freistellung zu begründen.

Beste Grüße
Lullaby

Mhh, vielleicht wurde der Transfer von Zimmer zurück zum FCK aus anderen Gründen getätigt als denen, die du hier anführst?! Kämpferherz, Identifikationsfigur, Leader, Erfahrung, …
Sorry, aber in der jetzigen Situation die Krümel zu suchen und alles madig machen zu wollen. Einen unpassenderen Zeitpunkt für solch eine Diskussion gibt es wohl kaum, wenige Tage vor den beiden wichtigsten beiden Spielen des FCK in der letzten Dekade. Verrätst du uns deine Intention?

Man kann nicht beim Trainer rein rationale Maßstäbe anlegen wollen und - wie ich finde - zurecht die nicht leistbare „Fußballromantik“ ausklammern wollen, um dann beim schätzungsweise teuersten Transfer (Ablöse plus Gehalt durch Laufzeit) der letzten vier, fünf Jahre genau diese Fußballromantik argumentativ wieder ins Feld zu führen.

Der „soft fact“ Identifikation war aber sicherlich wichtig, um die Stimmung nach dem Klassenerhalt über den Sommer hochzuhalten. Sportlich sollte ein fitter Jean Zimmer in der Dritten Liga über jeden Zweifel erhaben sein. Das Problem ist hier der Konjunktiv.
Grundsätzlich sollte man aus diesem Transfer für die Zukunft mitnehmen, dass man auch solche „Verpflichtungen für die Volksseele“ im Voraus hinsichtlich Bedarf und Verfassung noch besser abwägen muss.

Zimmer war eine der Schlüsselfiguren beim Klassenerhalt 2021. Natürlich kann man konstatieren, dass er gemessen an Kosten und Erwartungen für diese Saison ein Fehleinkauf war, nur ignoriert man dabei den Umstand, dass weder der sportliche Leiter noch der Spieler für die Krankheit verantwortlich zu machen ist, die Zimmer aus der Bahn geworfen hat. Für die Bewertung der Transferpolitik darf der Transfer keine Rolle spielen, genauso wie man Antwerpen nicht vorwerfen kann, nicht auf Zimmer gesetzt zu haben.

Beste Grüße
Lullaby

Wie gesagt, die Trainerentlassung kann man nach den letzten Wochen nachvollziehen. Ob die Formkurve durch interne Konflikte hausgemacht ist oder rein sportlicher Natur ist, kann man nicht genau sagen. Hengens Entlassungsbegründung kaufe ich ihm und viele andere nicht ab. Andere Beweggründe möchte man nicht kommunizieren. Das hinterlässt kein gutes Licht bei allen Beteiligten.

Du schreibst ja, dass es weniger eine Qualitätsfrage als eine Frage der Ausgewogenheit ist. Ich würde sagen, dass es beides ist. Mittlerweile ist das Sturmzentrum durch Boyd top besetzt, keine Frage. Ohne ihn ist man da aber nicht stärker besetzt als manche Absteiger. Flügel entweder komplett verwaist oder individuell zu schwach, als das man ein System mit Flügeln spielen könnte. Unser Mittelfeld ist technisch sicherlich in den Top3 der Liga. Dafür ist es aber auch ziemlich defensivschwach und nicht sehr dynamisch. Da man keinen starken Abräumer hat, versucht man das über die Menge an zentralen Spielern und der 5er Kette wett zu machen. Hat ja durch das System auch defensiv optimal geklappt. Dafür waren dann in den schwierigeren Spielen riesengroße Räume zwischen unserem zentralen Mittelfeld und dem Sturmduo.

Da mangelt es einfach komplett an Alternativen, die auch ein anderes System ermöglichen. In den letzten 7-8 Spielen standen für mich Zuck und Hercher zu hoch. Ursache hierfür ist mMn, dass man offensiver spielen wollte um die Siege einzufahren. Jeglicher Punktverlust gegen Würzburg, Wiesbaden, Duisburg und co. hätte uns den 2. Platz in der Livetabelle gekostet. Spätestens gegen Wiesbaden ging es dann ab Minute 1 schief. Aber auch in Würzburg lief man in Konter, die man dann wie Winkler rustikal unterbinden musste. Für eine 4er Kette ist Kraus zu langsam, Zuck zu defensivschwach und Hercher würden die Offensivläufe nicht in der Frequenz erlaubt.

Die Mannschaft ist in dieser Form irgendwo für Platz 2 bis 8 geeignet. Auch wenn man in den direkten Duellen gegen die Topmannschaften keine schlechte Bilanz hat, war man doch teilweise die deutlich schwächere Mannschaft. Gegen Mannheim kann man mit weniger Glück auch beide Spiele verlieren. 60 hat im Rückspiel komplett verdient gewonnen, gegen Braunschweig war man im Rückspiel auch die schlechtere Mannschaft. An einem Tag wie in Osnabrück kann man sich auch locker 5 Dinger fangen, gewinnt aber mit 1:0. Gegen Wiesbaden waren das mMn zwei Duelle auf Augenhöhe. Gegen den FCS war man hingegen souverän, auch wenn die Ergebnisse vielleicht je 1 Tor zu hoch ausfielen.

Auch wenn man Antwerpen offiziell nicht deshalb entlassen hat, weil er zu wenig aus der Mannschaft rausgeholt hat, entsteht für mich zwischen den Zeilen den Eindruck, dass dies doch der Fall ist. Unterkühltes Verhältnis zwischen Antwerpen und Hengen, Trainersuche für nächste Saison, Hengens Kommentare zur Stärke des Teams.